Pressekritik zur Ausstellung Max Beckmanns im Kunstsalon Paul Cassirer 23. Januar bis Mitte Februar 1913 Oscar Bie: „ … . Er hat vorzügliche Akte in allen möglichen Lebenslagen, dann vereinigt er sie in biblischen und mytholo- gischen Kompositionen und ringt mit dem Problem. … .“ (Berliner Börsen Courier, 26.1.1913, Nr. 43) Alfred Georg Hartmann: „ … . Es ist viel Schlackenhaftes in seiner Malerei – namentlich in den Frühwerken -, viel Dumpfes, viel Ungebändigtes. Auch viel, was andere schon ebenso gemacht haben. Aber immer wieder flößt die Art, wie er sucht und ringt und Neues gestaltet, Vertrauen zu seiner Kunst ein. … .“ (Der Tag, 28.1.1913, Nr. 50) Paul Fechter: „ … er [Beckmann] möchte das verhalten Dramatische des modernen Lebens, die Mystik der Gegenwart fassen und monumentalisieren – und verstellt damit vielleicht sich selbst den Weg. … .“ (Vossische Zeitung, 30.1.1913, Nr. 54) Fritz Stahl: „ … Beckmann hat in sich einen Konflikt auszukämpfen. Er will nicht Impressionist sein, sich nicht einmal auf die Wirklichkeit beschränken. Sein Temperament ist durchaus romantisch und treibt ihn, dramatische Vorgänge leiden- schaftlich zu erzählen, von Menschen, die er darstellt, ihr Wesen und Schicksal auszusagen. … Er will die Bilder, die ihm vorschweben, ebenso schnell und unmittelbar auf die Leinwand werfen wie die Impressionisten ihre einfachen Naturausschnitte, er will sie improvisieren. … .“ (Berliner Tageblatt, 31.1.1913, Nr. 55) Hans Kaiser: „ … . Die Überzeugung, daß mit Max Beckmann ein ganz Großer in der Malerei erschienen ist, teile ich mit einer Reihe hervorragender und geistvoller Kunstliebhaber und Kunstschriftsteller, … . Was die Werke der letzten Jahre vor den früheren voraus haben, verdanken sie der mit Aufbietung aller Energie erreichten Konzentration, die bis zur Erschlaffung dem Werke jedes Opfer bringt. … .“ (Berliner Neueste Nachrichten, 31.1.1913, Nr. 55) Robert Breuer: „Max Beckmann, ein Dreißigjähriger, ist auf dem Wege, das Menschliche zu suchen. Er tut es als Maler. Er glaubt sich berufen, mit der Farbe die Erlebnisse der Seele, einer modernen, einer skeptischen, von der Not der Welt geängsteten und vor sich selber erschreckenden Seele sichtbar zu machen. Es gelingt ihm auch, daß wir, vor seinen Bildern stehend, den Eindruck eines sehnsuchtsvollen, sehr ernsten Pfadfinders zum Menschlichen empfangen. … Beckmann wird die Synthese zwischen dem Menschen, der sich in ihm gewaltig regt, und dem Maler, als den er sich bestimmt glaubt, zu vollziehen wissen. … .“ (Vorwärts, 2.2.1913, Nr. 28) Max Osborn: „Der jetzt dreißigjährige Maler Max Beckmann, von dem man zurzeit im großen Saale bei Cassirer ein halbes Hundert von Bildern vereinigt findet, ist nicht umsonst wiederholt als der Führer der jüngeren Berliner Sezessionisten- generation bezeichnet worden. Er verdient diesen Titel, weil er unter denen, die in diesem Kreise ein neues Wollen an die Tradition der unmittelbaren Vorgänger anknüpfen, vielleicht die stärkste, sicher die leidenschaftlichste Persönlichkeit ist. Beckmann ist ein Schüler der großen Franzosen, von denen die Gründer der Sezession ausgingen, und erfüllt von den Einflüssen, die diese ihm vermittelten. Aber seine Sehnsucht geht über die hier gesteckten Ziele hinaus, oder, damit es nicht etwa kling, als sollten hier Wertunterschiede gemacht werden: sie wendet sich zugleich anderen Zielen zu. Beckmann repräsentiert mit einer naiven Energie die neue Kunst an einer Mischung geistiger und sinnlicher Elemente in der Malerei, die sich immer stärker bemerkbar macht. … .“ „ Sie [die stürmischen großen Kompositionen] spiegeln den inneren Kampf eines ringenden Menschen von kräftigen, oft brutalen Instinkten. Sie wollen die Auseinandersetzungen der Persönlichkeit mit der Verworrenheit, Ruchlosigkeit und Tragik des Lebens zur sinnlich greifbaren Deutlichkeit bringen. Der deutsche Hang, solchen Schlachten der Seele in figurenreichen Darstellungen Symbole zu schaffen, hat auch ihn erfaßt. … .“ (B. Z. am Mittag, 5.2.1913, Nr. 30) Willy Pastor: „Max Beckmann ist in die Reihe der Unsterblichen von Cassirers Gnaden eingetreten. … Er ist sicher einer der wenigen Maler, die mit elementarer Kraft malerische Aufgaben in größtem Format zu lösen vermögen. … .“ (Der Tag, 7.2.1913, illustrierte Beilage Nr. 32) Paul Westheim: „Er [Max Beckmann] ist reich an Talenten. In seiner Malerei steckt Bezauberndes. Obzwar bedächtig, obzwar überlegt und beinahe berechnend hingesetzt, sind seine Farben flüssig. … In seinen Reflexionen ist Kultur. Wenn er einen legendären Stoff darstellt, so weiß er ihn nicht nur als Maler dekorativ aufzumachen; es ist seine Art, ihn auch geistig mit Arabesken zu erfüllen. (Frankfurter Zeitung, 14.2.1913, Nr. 45) Hans Friedeberger: „ … man erlebt hier das Schauspiel, wie ein Maler, der dem Impressionismus seine Darstellungsmittel, und im Anfang auch seine Sehtendenzen schuldig geworden ist, nun über diesen Impressionismus hinweg zu einer Verschmelzung von Form und Ausdruck kommen will. … .“ (Die Kunst Bd. 27, 18. Jg. der „Kunst für Alle“, Nr. 11, 1.3.1913, S. S. 264) Karl Scheffler: „ Sucht man seine Eigenart mit einem einzigen Wort zu umschreiben – und es zu thun sieht sich der Betrachter einer komplizierten Künstlernatur ja wie von selbst verleitet -, so möchte man sagen: Beckmann, das ist das Phänomen. Wie sehr dieser Maler das Ungewöhnliche, das dramatisch auf die Spitze Getriebene, das Geheime, wie sehr er das Phänomenische aufsucht, wird vor allem erkannt, wenn man eine größere Anzahl seiner Bilder beisammen sieht, wie eben jetzt bei Paul Cassierer, … . Dieser Maler mag anpacken was er will: er gerät mehr oder weniger ins Katastrophale hinein. Er fühlt und denkt in Superlativen; er ist ganz Spannung. Insofern ist er ein Antipode aller Leibl- und Liebermannnaturen. Er will nicht nur die Kunst der Malerei an sich, sondern er will mittels der Malerei auch die ‚große Idee‘, das ethische Pathos, die heroische Sensation. … Beckmann hat einen starken Instinkt für seine Zeit. Daher gewinnt er unschwer auch die Beachtung der Zeit. Zudem ist in ihm etwas Jünglinghaftes, das mit den Jahren nicht altert. So wird der frühe Erfolg verständlich, der Beckmann in seinem dreißigsten Jahre schon wohlbefestigt im öffentlichen Interesse dastehen läßt. … Womit Beckmann siegt, das ist in erster Linie seine Menschlichkeit, seine Persönlichkeit, es ist vor allem der reiche, erregende Stoff. … .“ (Kunst und Künstler, 11 Jg., Nr. 6, 1.3.1913, S. 297 – 305) Zitiert nach: Echte, Bernhard, Feilchenfeldt, Walter [Hrsg.]: Kunstsalon Paul Cassirer – Die Ausstellungen 1910 – 1912. Wädenswil 2016, S. 55 ff. 8