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Los 723

Sehr seltene Darstellung eines liegenden Hirsches

Schätzpreis:

40.000 € - 60.000 €

Ergebnis:

inkl. Aufgeld und Mehrwertsteuer

Beschreibung:

Japan, wohl Oribe, Momoyama-Periode
L.35 cm
Steinzeug. Darstellung eines liegenden, jungem Hirsches von schlanker, gespannter Gestalt, mit seitlich gewandtem Kopf und wachsamer Ausstrahlung. Der rötlich-orange Scherben ist partiell mit einer Ascheglasur überzogen, die in dickeren Partien zu einem opaken, milchig-weißen Überzug erstarrt. Das Fell ist mit weißen Punkten dekoriert, die Augen teilweise mit Weiß und feinen schwarzen Linien akzentuiert, während Nasenlöcher und Hufe schwarz hervorgehoben sind. Die nach hinten gereckten Ohren unterstreichen die Aufmerksamkeit des Tieres. Unter einer weißen Engobe aufgetragene Eisenoxid-Details blättern stellenweise ab, was auf experimentelle Techniken hinweist. Das zweiteilige Geweih wurde aus dunkelbraunem Holz geschnitzt und wird am Kopf des Hirsches eingesteckt. Die sorgfältige Bemalung und die feine Ausarbeitung der Gesichtszüge verstärken den naturalistischen Ausdruck des Hirsches.
Aus einer bedeutenden europäischen Privatsammlung, gesammelt seit 1960
Es gibt nahezu kein vergleichbares Objekt, abgesehen von einer Fliese im Cleveland Museum aus glasiertem Steinzeug, die denselben rötlich-orange Scherben, eine vergleichbare Ascheglasur sowie Eisenoxid-Dekor unter weißer Engobe aufweist. Diese Fliese, als Mino-Keramik vom Typ Oribe beschrieben, wurde in die Momoyama-Zeit, um 1600, datiert. Oribe-Keramiken werden üblicherweise mit grauem oder hellem Scherben hergestellt; der rötlich-orange Scherben sowohl dieses Hirsches als auch der Cleveland-Fliese deutet hingegen auf experimentelle Brennverfahren der Momoyama-Zeit hin, in einer Phase technischer und stilistischer Innovation. Während die Engobe auf der Fliese stabil haftet, ist sie beim Hirsch partiell abgeplatzt, was darauf hinweist, dass es sich beim vorliegenden Stück möglicherweise um ein früheres Stadium dieser Technik handelt und wohl in das spätere 16. Jahrhundert datiert werden kann. Vgl. Cleveland Museum, Ohio, Zugangsnummer: 1965.79.
Als weitere Vergleichsstücke dienen Kakiemon-Porzellanfiguren mit Darstellungen von Hirschen aus dem 17. Jahrhundert. Hier zeigt sich ein deutlicher Unterschied in der Darstellung: Diese Tiere wirken wohlgenährt und ruhig und galten als Sinnbilder des Friedens und Wohlstands der Edo-Zeit. Der hier vorgestellte Hirsch dagegen ist hager und angespannt; seine wachsame Haltung spiegelt die Unruhe und Unsicherheit wider, die die kriegerische Spätphase der Muromachi- und Momoyama-Zeit prägten.
Hirsche (shika) besitzen in der japanischen Religions- und Kulturgeschichte eine hohe symbolische Bedeutung. Im Shintō gelten sie als Boten der kami, insbesondere im Zusammenhang mit dem Kasuga-Schrein in Nara, wo sie seit dem 8. Jahrhundert als heilig verehrt und geschützt werden (Blacker 1986; Grapard 1992). In der buddhistischen Ikonographie verkörpert der Hirsch Reinheit, Sanftmut und den Hirschpark von Sarnath, den Ort der ersten Predigt des Buddha. Darstellungen von Hirschpaaren finden sich häufig in Malerei und Kunsthandwerk, keramische Beispiele sind jedoch außerordentlich selten - Altersspuren, partiell rest.