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Los 1011

Fontana, Lucio

Schätzpreis:

300.000 € - 500.000 €

Ergebnis:

543.900 € inkl. Aufgeld und Mehrwertsteuer

Beschreibung:

Rosario de Santa Fe, 1899 - Comabbio, 1968
33 x 22 cm, R.
"Concetto spaziale, Attesa", 1962/1963. Wasserfarbe (Idropittura) auf Leinwand mit einem mit schwarzer Gaze hinterlegten Schnitt. In schwarzem Stift rückseitig signiert, betitelt und bezeichnet "1 + 1 - A".
Mit einer Fotoexpertise von Teresa Fontana, Fondazione Lucio Fontana.
Crispolti II, 62-63 T 3.
Privatsammlung, Freiburg.
Kunsthaus Lempertz, Köln, Auktion 520, "Kunst des XX. Jahrhunderts", 30. 11. 1971, Lot 368.
Kunsthandel Brigitte Büdenhölzer, Emmendingen.
Sammlung Monika und Horst Bülow, Leonberg, dort 1986 erworben.
Mit "Concetto spaziale, Attesa" präsentiert sich eines der ikonischsten Werke Lucio Fontanas, das den Übergang von der klassischen Malerei zu einer völlig neuen künstlerischen Dimension markiert. Die Leinwand zeigt sich in leuchtendem Rot - eine makellose, monochrome Fläche, durchzogen von einem einzigen präzisen Schnitt. Dieser "taglio" durchbricht nicht nur die physische Oberfläche des Bildträgers, sondern auch das traditionelle Verständnis von Malerei als reinem Träger visueller oder narrativer Inhalte. Der Schnitt öffnet den Raum - buchstäblich und metaphorisch - und wird so zum Ausdruck einer neuen ästhetischen Realität, in der Zeit, Licht und Raum einbezogen werden.
In dieser Arbeit löst sich die Malerei von ihrer bloßen Materialität und wird zum dreidimensionalen Objekt, das in der physischen Welt existiert. Der mit schwarzer Gaze hinterlegte Schnitt erscheint nicht als Akt der Zerstörung, sondern als schöpferischer Eingriff: ein präzise ausgeführter, fast meditativer Vorgang, der die Leinwand in eine Art Portal verwandelt. Fontana selbst beschrieb diesen Moment als das Gegenteil eines spontanen Impulses - häufig ging der Entscheidung für einen Schnitt stunden- oder gar tagelange Überlegung voraus. In seinen Worten: "Sie glauben, es sei einfach, einen Schnitt oder ein Loch zu machen, aber das stimmt nicht. Sie haben keine Vorstellung, wie viel ich wegwerfe. Die Idee muss mit Präzision umgesetzt werden." (G. Ballo, "Lucio Fontana", New York 1971)
Die Ausführung des Schnitts folgte einer klaren Abfolge: Die Leinwand wurde zunächst mit weißer Emulsionsfarbe behandelt, anschließend teilweise trocknen gelassen, bevor mit einem präzisen Messer ein Einschnitt gesetzt wurde. Während des vollständigen Trocknens wurde der Schnitt mit der flachen Hand des Künstlers sanft geöffnet - so bleibt der Augenblick der Entstehung dauerhaft in der Oberfläche eingeschrieben.
Fontana, geboren 1899 in Rosario (Argentinien), lebte und arbeitete überwiegend in Mailand. Mit der Gründung des Spazialismus 1947 formulierte er in seinem "Manifesto spaziale" eine künstlerische Vision, die das klassische Kunstverständnis sprengte. Er forderte eine Befreiung der Kunst von der Materie und sprach sich für eine zeitgenössische Ausdrucksform aus, die das Ewige im Flüchtigen verankert: "Was wir wollen, ist, die Kunst von der Materie zu befreien, das Gefühl des Ewigen von der Sorge um das Unsterbliche zu lösen. Und es ist uns gleichgültig, ob eine Geste einen Moment oder ein Jahrtausend lebt - wir sind zutiefst überzeugt, dass sie, einmal vollzogen, ewig ist." (E. Crispolti et al., "Lucio Fontana", Mailand 1998)
Diese Arbeit stellt nicht nur ein Hauptwerk der Nachkriegskunst dar, sondern ist auch eine seltene Gelegenheit, eine Leinwandarbeit Fontanas auf dem deutschen Auktionsmarkt zu erleben. In ihrer makellosen Ausführung, ihrer konzeptuellen Tiefe und der Einbindung des realen Raumes steht sie exemplarisch für das radikale künstlerische Denken eines der bedeutendsten Avantgardisten des 20. Jahrhunderts.