Los 1014
Poliakoff, Serge
Schätzpreis:
80.000 € - 120.000 €
Ergebnis:
142.450 € inkl. Aufgeld und Mehrwertsteuer
Beschreibung:
Moskau, 1900 - Paris, 196989 x 116 cm, R.
"Composition abstraite rouge et vert", 1962. Öl und Tempera auf Leinwand. In Öl unten rechts signiert sowie rückseitig auf der Leinwand signiert.
Poliakoff, III, 62-28.
Mit einer Fotoexpertise von Alexis Poliakoff, vom 10. 1. 1985.
Atelier des Künstlers.
Galerie Der Spiegel, Köln (rückseitig mit Galerieetikett).
Sotheby's, London.
Galerie Denise René Hans Mayer, Düsseldorf (rückseitig mit Galerieetikett).
Sammlung Monika und Horst Bülow, Leonberg, dort 1985 erworben.
Ausstellung:
"Serge Poliakoff", Kestner-Gesellschaft, Hannover, Kunsthalle Bremen, Museum am Ostwall, Dortmund (rückseitig mit Ausstellungsetikett), Württembergischer Kunstverein, Stuttgart, Haus am Waldsee, Berlin und Städtisches Museum, Trier, 1963.
Serge Poliakoff gehört zu den bedeutendsten Vertretern der abstrakten Malerei in Europa nach 1945. In Paris, wo er seit den 1930er-Jahren lebte, entwickelte er eine Bildsprache, die sich durch große Ruhe, eine meditative Konzentration auf Form und Farbe sowie eine unverwechselbare Balance zwischen Strenge und organischer Freiheit auszeichnet. In den 1950er- und 1960er-Jahren erreichte Poliakoff die Reife seines künstlerischen Ausdrucks - Werke wie "Composition abstraite" aus dem Jahr 1962 stehen exemplarisch für diese Phase.
Das Gemälde zeigt Poliakoffs charakteristische, unregelmäßig ineinandergreifende Farbzonen, die nicht durch Linien oder Konturen festgelegt sind, sondern sich gegenseitig bestimmen und vom umgebenden Raum getragen werden. Die Formen tasten sich behutsam zur Mitte hin, ohne ein berechnetes Zentrum zu konstruieren. Dadurch entsteht keine starre Komposition, sondern ein organisch gewachsenes Gefüge, das aus der inneren Logik der Flächen hervorgeht. Poliakoffs Malerei wächst nach innen, nicht nach außen - sie zieht den Blick des Betrachters in die Tiefe der Farbbeziehungen, statt eine expressive Geste nach außen zu behaupten.
Die Farbigkeit ist zurückgenommen und differenziert. Tiefe Rot- und Blautöne bilden den Grund, gegen den sich helle Flächen in Grau und Weiß abheben. Diese subtilen Abstufungen erzeugen eine stille Spannung, die nicht in Kontrasten, sondern im Zusammenklang der Töne liegt. Die ruhige, ausgewogene Wirkung führt über das rein Sichtbare hinaus in eine fast metaphysische Dimension.
Poliakoff selbst verstand diese Stille als zentrales Ziel seiner Malerei. Wieland Schmied zitiert es im Katalog zur großen Retrospektive der Kestner-Gesellschaft Hannover 1962/63 mit den Worten des Künstlers: "Wenn ein Bild schweigsam ist, bedeutet es für mich einen großen künstlerischen Erfolg. Einige meiner Bilder fangen mit großem Tumult an, sie sind explosiv, aber ich bin nicht eher zufrieden, bis die Stille in das Bild gebracht habe." Diese Ausstellung markierte einen Höhepunkt in Poliakoffs Rezeption in Deutschland und stellte ihn neben andere zentrale Protagonisten der europäischen Abstraktion.
"Composition abstraite" verkörpert dieses Streben nach einer schweigsamen, in sich ruhenden Malerei in exemplarischer Weise. Die Flächen wirken nicht zufällig nebeneinandergesetzt, sondern sind Ergebnis eines behutsamen, tastenden Prozesses. Poliakoff verstand seine Kunst nicht als Illustration, sondern als geistige Konstruktion aus Farbe und Form, die einen Zustand von Sammlung und Konzentration vermittelt.
So erscheint das Werk nicht als lautes, auf Wirkung bedachtes Bild, sondern als ein meditatives Gefüge, in dem die organischen Formen und die subtil abgestuften Farben zu einer inneren Harmonie finden. In dieser stillen Intensität liegt die bleibende Faszination von Poliakoffs Malerei, die in "Composition abstraite" aus dem Jahr 1962 in besonderer Klarheit hervortritt.


