Los 1018
Uecker, Günther
Schätzpreis:
80.000 € - 120.000 €
Ergebnis:
226.625 € inkl. Aufgeld und Mehrwertsteuer
Beschreibung:
Wendorf/Mecklenburg, 1930 - Düsseldorf, 202560 x 40 x 11 cm
"Feld", 1999. Nägel und weiße Farbe auf Leinwand, auf Holz. Rückseitig in schwarzer Farbe signiert, datiert und betitelt sowie mit Richtungspfeil.
Galerie Uwe Sacksofsky, Heidelberg.
Sammlung Monika und Horst Bülow, Leonberg, dort 2005 erworben.
Günther Uecker wurde 1930 in Wendorf geboren und verbrachte seine Jugend in einer Zeit, die von Krieg, Flucht und Zerstörung bestimmt war. Als Jugendlicher erlebte er das Ende des Zweiten Weltkriegs in Mecklenburg, wo er, kaum fünfzehnjährig, gezwungen war, seine Mutter und Schwester vor Übergriffen russischer Soldaten zu beschützen. Mit improvisierten Barrikaden aus Holzplanken und Nägeln wehrte er die Gefahr ab. Dieses existenzielle Erlebnis - die Erfahrung des Nagels als Werkzeug der Verteidigung und des Schutzes - brannte sich tief in sein Gedächtnis ein und bildete die Grundlage für seine spätere künstlerische Arbeit.
Der Nagel wurde für Uecker zu einem Lebenssymbol mit doppelter Bedeutung: Er erinnert an Gewalt, Bedrohung und Verletzung, zugleich aber auch an die Möglichkeit, Sicherheit, Ordnung und Halt zu schaffen. Diese Ambivalenz durchzieht sein gesamtes Œuvre.
Seit Ende der 1950er Jahre machte Uecker den Nagel zum zentralen Medium seiner Kunst. Das Einschlagen tausender Nägel in Leinwand, Holz oder Alltagsgegenstände ist für ihn mehr als ein formaler Akt. Es ist ein körperliches Ritual, das biografische Traumata aufnimmt und sie in Schöpfung, Rhythmus und Energie verwandelt.
Im Werk "Feld" aus dem Jahr 1999 verdichtet sich diese Haltung zu einer vibrierenden Bildlandschaft. Nägel, in dichten Strömungen eingeschlagen, scheinen wie magnetische Felder oder organische Bewegungen zu pulsieren. Die weiße Farbe, mit der Uecker sie überzieht, verwandelt das dunkle Metall in ein Lichtrelief - die Härte und Bedrohung des Materials wird in eine spirituelle, friedvolle Energie transformiert.
Das rhythmische Hämmern versteht Uecker als meditative Handlung, die Erinnerungen an Gewalt in eine neue Ordnung überführt. Jeder Schlag ist zugleich Erinnerung und Überwindung, Verletzung und Heilung. Durch die serielle Wiederholung wird der einzelne Nagel Teil eines größeren Feldes - ein Energieraum, der über das Individuelle hinausgeht und universelle Fragen berührt.
Ueckers Nagelarbeiten zählen zu den ikonischen Positionen der ZERO-Bewegung, die er ab 1958 mit Otto Piene und Heinz Mack entwickelte. ZERO suchte nach einem radikalen Neuanfang nach den Schrecken des Zweiten Weltkriegs - einem "Nullpunkt", an dem Kunst nicht mehr die Katastrophe abbildet, sondern Licht, Bewegung und Spiritualität erfahrbar macht.
"Feld" steht exemplarisch für diese Haltung. Es ist ein Werk, das aus tiefster biografischer Erfahrung gespeist ist und gleichzeitig eine universelle, zeitlose Sprache findet.
In "Feld" begegnet uns die Essenz von Ueckers künstlerischem Denken: die Umwandlung des Nagels - einst Werkzeug des Schutzes für Mutter und Schwester in Kriegszeiten - in ein künstlerisches Medium, das Schmerz und Gewalt in ein vibrierendes Feld von Licht und Energie verwandelt.
So wird das Werk zu einem Denkmal der Überwindung: aus biografischer Notwendigkeit geboren, zu einem global gültigen Symbol für Verletzlichkeit, Hoffnung und geistige Kraft transformiert.


